Anna Rossell,
Stefan Zweig, Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt
1. „Castellio gegen Calvin“ im Rahmen von Zweigs Biographie und seinem ideologischen Horizont
Stefan Zweig (1881-1942) war bekanntlich ein Meister des psychologischen Porträts. Sein Werk ist voller Studien von Persönlichkeiten zwischen Biographie und historischer Fabel. Der symptomatische Titel der Reihe, unter dem seine bekanntesten Essays veröffentlich wurden, Baumeister der Welt, offenbart die Absicht des Autors, die Ideen der Schriftsteller zu verbreiten, die er für die wertvollsten und einflussreichsten seiner Zeit hielt. Er nahm sich damit das Projekt vor, zum Bau eines vereinten Europas beizutragen, das, durch die Kraft des Geistes brüderlich verbunden, in Frieden lebte, einer Utopie, die Zweig bis zu seinem Lebensende verfolgte (1).
Nach den grauenerregenden Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, publiziert Zweig im Jahr 1922 Drei Meister (Balzac, Dickens, Dostojewski), 1925 Der Kampf mit dem Dämon (Hölderlin, Kleist, Nietzsche) und 1928 Drei Dichter ihres Lebens (Casanova, Stendhal, Tolstoi). In dieser Arbeitslinie und der politisch-sozialen Entwicklung der Zeit entsprechend, die keinen Zweifel an der diktatorischen und terroristischen Natur der nationalsozialistischen Regierung ließ – die Nürnberger Gesetze, auf die das Naziregime seine antisemitische Politik stützte, wurden 1935 erlassen -, veröffentlicht der österreichische Jude Stefan Zweig im Jahr 1934 Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam, ein Portrait des Humanisten und Gelehrten, den der Autor dem seines Widersachers Luther entgegensetzte. In diesem Jahr macht sich die hohe politische Temperatur auf der Straße bemerkbar: das Haus des pazifistischen Schriftstellers wird nach Waffen durchsucht, und aufgrund dieser Vergewaltigung seiner Intimität und der Gefahr, die ihm droht, beschließt Zweig, Österreich zu verlassen und endgültig nach London umzuziehen. Dort veröffentlicht er 1936 Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt.
Dieses Werk gehört zur Exil-Literatur in deutscher Sprache, die von den aus Deutschland und Österreich ausgewiesenen Schriftstellern verfasst wurde. Alle haben einen gemeinsamen Nenner: sie nehmen indirekt Bezug auf die Greuel des Nazionalsozialismus und beabsichtigen, ihn zu entschleiern und dazu Stellung zu nehmen, ohne die Hoffnung zu verlieren, dass ein Echo ihres Werkes diejenigen erreicht, die im Innern des Landes jene Tyrannei am eigenen Leib erleiden müssen. Die Exilliteratur bedient sich also einer verschleierten Sprache, pflegt den historischen Roman und die Parabel, um ihre Aktualität zu vergegenwärtigen, ohne sie konkret zu nennen. Indem sie die Handlung in die Vergangenheit versetzt, erreicht sie den nötigen brechtschen Verfremdungseffekt, der dem Leser ermöglicht, den Symptomenkomplex zu erkennen, der sich jetzt so ähnlich wiederholt, wie er sich damals schon einmal zeigte.
Zweig bildet keine Ausnahme. Es ist kein Zufall, dass er sich gerade in jenen Jahren mit diesen beiden historischen Persönlichkeiten befasst, dem Humanisten Castellio und dem Diktator Calvin, die im 16. Jahrhundert eine wesentliche und heftige Kontroverse über die Gewissensfreiheit austrugen, und dass er sie zu universellen Archetypen zweier entgegengesetzter und unversöhnlicher Positionen erhebt, die sich zyklisch in der Geschichte wiederholen: die fanatische Mentalität, despotisch und unduldsam, und die gemäßigte, respektvolle und zum Dialog bereite Haltung.
Zweifellos hatte sich Zweig vorgenommen, einen Parallelismus herzustellen zwischen dem von der calvinischen Reform veranlassten Terror und der nationalsozialistischen Diktatur. Diese Absicht geht nicht nur aus dem von ihm gewählten Moment hervor, dieses Buch zu schreiben, sondern auch aus manchen in sein Buch eingewobenen Begriffen nazionalsozialistischer Prägung (2) und sogar aus den psychischen und physichen Zügen, mit denen Zweig Calvin charakterisiert (3). Doch die häufigen Reflexionen, die Zweig der Geschichte widmet und regelmäßig in sein Werk streut, um daraus verallgemeinernde Schlüsse zu ziehen, seine entschiedene Stellungnahme für Castellio, sowie den Abscheu, den er vor Calvin empfindet, geben Anlass zu denken, dass dieses Buch dem Wiener Schriftsteller noch mehr bedeutet: Zweig nimmt sich vor, den zu Unrecht sogar noch heute unter Gelehrten kaum bekannten Castellio aus der Vergessenheit zu retten und seine Gedanken und sein heroisches Verhalten zu verbreiten, um der Welt seinen unbezahlbaren Beitrag zum Humanismus bekannt zu geben. Zweig, der die Kunst der psychologischen Introspektion seiner Charaktere beherrscht, versteht es, die Züge seiner Personen so zu stilisieren, dass es ihm gelingt, nicht das Porträt zweier Individuen zu schildern, sondern jeweils die universelle Quintessenz des Fanatismus und des Humanismus (4).
Diese entschiedene Verteidigung der Gewissens- und Meinungsfreiheit gegen die Tyrannei, die den Geist vergewaltigt und versklavt, stimmt absolut mit der dezidierten pazifistischen Überzeugung Zweigs überein, der, von seinem Freund Romain Roland und den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges beeinflusst, nicht nur den Krieg verabscheute, sondern allen Auseinandersetzungen intellektueller oder politischer Art aus dem Weg ging und radikale Stellungnahmen zu meiden suchte. Er, der nie ein politischer Mensch war und sich nie für Politik interessierte, verstand sich selbst als Mittler zwischen Parteien und verfolgte mit seinen Essays das Ideal, zu jenem erträumten supranationalen Europa beizutragen, das, einmal die Differenzen beigelegt, die zum Großen Krieg geführt hatten, durch den Geist und die Kultur brüderlich vereint, einer gemeinsamen Zukunft entgegensehen würde, wo jeder Mensch über sein Schicksal frei entscheiden könnte (5). Zweig sah in der Diaspora des jüdischen Volkes, in seiner kulturellen und linguistischen Vielfalt und in seiner nationalen Entwurzelung, eine Gelegenheit, um dieses Ideal der Konfluenz aller Menschen im Geist, von Nationalismen befreit, zu verwirklichen und er hielt den Sionismus und die Gründung eines jüdischen Staates für eine Verfehlung dieser historischen Mission (6). Von einem blinden Vertrauen auf die menschliche Vernunft und einem unrealistischen Optimismus getrieben, assoziierte er den technischen Fortschritt mit dem Triumph des Geistes über die Barbarei und interpretierte diese Entwicklung als einen Fortschritt ohne Rückkehr in die finsteren Zeiten der Vergangenheit (7).
2. Calvin und Castellio als Archetypen des Diktators und des Humanisten
Zweig, der schon 1916 in seinem Theaterstück Jeremias schrieb: „Man kann das Unsichtbare nicht besiegen! Man kann Menschen töten, aber nicht den Gott, der in ihnen lebt. Man kann ein Volk bezwingen, doch nie seinen Geist” (8) , entschiedener Fürsprecher der Gedankenfreiheit, konnte nicht stumm zusehen, wie der Nationalsozialismus systematisch dieses universale Menschenrecht verletzte. In Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt (1936) erhebt er seine Stimme gegen diese Vergewaltigung. Ausgehend vom historischen Prozess gegen den spanischen Arzt und Theologen Miguel Servet, der von Calvin 1553 verfolgt, gemartert und, wegen Ketzerei beschuldigt, zum Scheiterhaufen verurteilt wurde, klagt er ein solches Vorgehen an. Servets Hinrichtung, die erste, die die Reform vollstreckte, stieß sogar unter lutheranischen Kreisen auf erheblichen Protest, wenn auch diese Kritik nicht öffentlich zum Ausdruck kam und ohne Konsequenzen blieb. Erst nach dieser Hinrichtung, nachdem Calvin seine theokratische Diktatur in Genf gesichert hatte und der Genfer Reformator von der ganzen protestantischen Welt als Fähnrich der Vereinigung der Sektenzersplitterung gegen die Kirche Roms anerkannt war, beschließt Castellio, angesehener Theologe und Humanist, gegen die Verbreitung der Barbarei zu kämpfen und verfasst sein Buch De haereticis (1554).
Um seine eigene Integrität und den kleinen Kreis seiner Befürworter zu schützen, publiziert er die Schrift aus seinem Bernschen Exil unter dem Pseudonym Martin Bellius und lässt als Namen des Druckorts statt Basel Magdeburg angeben. Als Reaktion gegen den Mord an Servet schreibt er wenig später Contra libellum Calvini – das aus Zensurgründen erst fast ein Jahrhundert nach dem Tode des Autors zum Druck gelangen konnte -, eine Gegenrede zu Calvins Verteidigung des rechten Glaubens und der Dreieinigkeit gegen die fürchterlichen Irrtümer Servets, eine apologetische Schrift, in der Calvin seine Tat gegen Servet zu rechtfertigen versuchte.
Die Einleitung zu De haereticis geht dem machiavelischen Vorgehen Calvins gegen Servet nach und formuliert, Schritt für Schritt - als würde es sich um ein Gericht handeln, in dem Castellio gleichzeitig als Anwalt des Angeklagten und Ankläger Calvins fungiert - mit stichhaltiger Beweisführung die wesentlichen Fragen, um der Welt zu beweisen, dass der Tod Servets ein Mord war und dessen Anstifter und Richter dementsprechend Mörder waren.
Die Bewunderung, die Zweig diesem tapferen Heros zollt, den er einen wirklich freien Menschen nennt, da er sich keiner Macht und keiner Partei außer seinem eigenen Gewissen beugt, der als Einziger um des humanistischen Ideals willen sein Leben riskiert, geht aus der Bedeutung hervor, die er Castellios Text beimisst: er bezeichnet ihn als historisches Dokument universaler Gültigkeit und betitelt das Kapitel, das er in seinem Buch diesem Text widmet als „Das Manifest der Toleranz” (9).
Castellios Schrift bedeutet dem Wiener Autor eine Reflexion über die Koexistenz von Freiheit und Autorität - zwei entgegengesetzten, aber notwendigen Polen - und über die Aufgabe zu vermeiden, dass die eine zur Ausschweifung und die andere zur Tyrannei degeneriert: „Diese immer wieder notwendige Abgrenzung zwischen Freiheit und Autorität bleibt keinem Volke, keiner Zeit und keinem denkenden Menschen erspart: denn Freiheit ist nicht möglich ohne Autorität (sonst wird sie zum Chaos) und Autorität nicht ohne Freiheit (sonst wird sie zur Tyrannei).“ (10)
Zweig beginnt sein Kapitel mit einem Zitat Castellios, das das Wesentliche seiner Verteidigungsschrift zusammenfasst: „Die Wahrheit zu suchen und sie zu sagen, wie man sie denkt, kann niemals verbrecherisch sein. Niemand darf zu einer Überzeugung gezwungen werden. Die Überzeugung ist frei.” (11)
Ein erhebliches Verdienst Castellios ist es, dass er die Beweisführung, auf der seine Anklage gegen Calvin wegen Verdammung eines Menschen zum Scheiterhaufen beruht, auf den Widersprüchen der Argumentation und der Vorgehensweise seines Gegners zu begründen weiß. Und sein Verdienst ist es auch, ans Tageslicht zu bringen, dass die Methoden der Fanatiker im Laufe der Geschichte immer dieselben gewesen sind: Verleumdung, Verachtung und Vernichtung und dass nur die jeweils dafür angegebenen Gründe wechseln. Wissend, dass die Macht in jeder Epoche jeweils eine schwache Minderheit findet, auf die sie ihren Hass entlädt, warnt er auch vor der Gefahr der paranoiden Verfolgung, die jede Etikettierung der Menschen entfesseln kann. Ausgehend von der Verurteilung Servets, der als Ketzer angeklagt wurde, stellt Castellio die erste Frage: Was man unter Ketzer verstehe und ob es statthaft sei, jemanden wegen Ketzerei zu verfolgen. Da Calvin, um diese Verfolgung zu rechtfertigen, sich auf die Bibel bezogen hatte, verweist Castellio – Protestant wie Calvin - auf dieselbe Quelle und er findet keinen Bezug auf diesen Begriff, nur ist dort die Rede von der Bestrafung der Gottesleugner. Auf keinen Fall aber war Servet ein Gottesleugner, da er, als er verbrannt wurde, flehentlich Gott anrief und überzeugter Gläubiger war. Und mehr noch: Ketzer können niemals Gotteslästerer sein, da gerade diejenigen, die Calvin Ketzer nennt, die einzig wirklichen Christen zu sein behaupten. Und er schlussfolgert:
Da niemals ein Türke, ein Jude, ein Heide Ketzer genannt wird, muß Ketzerei ausschließlich ein Delikt innerhalb des Christentums sein. Also neue Formulierung: Ketzer sind diejenigen, die - obzwar Christen - nicht dem ‚wahren’ Christentum anhängen, sondern eigenwillig in verschiedenen einzelnen Punkten von der ’richtigen’ Auffassung abweichen. (12)
Es stellt sich also die Frage, welche von den vielen christlichen Exegesen die echte ist. Und weil sie alle für sich die Authentizität beanspruchen – eine Haltung, die Castellio für arrogant hält -, wird diese Annahme ad absurdum geführt. Weil bei der Deutung der Heiligen Schrift niemand der Möglichkeit zu irren entgehen kann, ist nur gegenseitige Toleranz möglich (13). Der Begriff ‚Ketzertum’ ist dementsprechend ein relativer, und die Benennungen ‚Märtyrer’ und ‚Ketzer’sind, abhängig vom Gesichtspunkt, austauschbar. Und er fragt weiter: kann man Gedanken - die intimsten Überzeugungen eines Menschen - überhaupt richten und verurteilen, als handelte es sich um ein Gemeindelikt? Und selbst wenn man es könnte, wer wäre dazu legitimiert?
Eine zweite Grundsäule, auf die Castellio seine Streitschrift stützt, ist die Trennung von weltlicher und religiöser Macht. Calvin hatte die Bibel „als das einzig gültige Gesetzbuch” durchgesetzt (14). Und da die weltliche Macht es gewesen war - wenn auch von Calvin dazu angetrieben -, die Servet verurteilte, verweist der Humanist auf die Worte Christi im Neuen Testament: „Gib Cäsar, was des Cäsars, und Gott, was Gottes ist“. Doch selbst wenn die kirchliche Macht Befugnisse in religiösen Angelegenheiten hat, sollte sie niemals über die persönliche Überzeugung eines Menschen richten. Dies zu tun hieße, das unantastbare Recht auf Gewissensfreiheit zu vergewaltigen. Da dem Begriff ‚Individuum’ eine eigene Ansicht inhärent ist, kann man sich nicht anmaßen, die verschiedenen Glaubensrichtungen auf Befehl gleichzuschalten. Folgerichtig fordert Castellio zum gegenseitigen Respekt auf als dem einzig möglichen Weg zu friedlichem Zusammenleben und zum Dialog. Die wirkliche Humanität impliziere den Willen zur Konzilianz. Wenn der individuelle Glaube der menschlichen Natur inhärent ist, wie kann ein Mensch wegen seines Glaubens angeklagt werden? Wer ist für seinen eigenen Glauben verantwortlich? Castellio kehrt dann die Richtung der Beschuldigung um: nicht der angebliche Ketzer ist schuldig, sondern der Fanatismus und die Intoleranz. Als überzeugter Christ und guter Kenner der Bibel weiß und behauptet er, „wenn Christus hier gegenwärtig wäre, niemals würde er euch raten, jene zu töten, die seinen Namen bekennen, selbst wenn sie in irgendeiner Einzelheit irrten oder falsche Wege gingen...“ (15). Diese Behauptung impliziert, dass nicht nach dem Geist des Christentums handelt, wer intolerant ist, denn Intoleranz ist Verrat an seinem Wesen, genauso wie auch die Überheblichkeit des Intoleranten das Christentum verrät, denn, indem der Intolerante sich anmaßt, den einzig wahren Glauben zu vertreten, behandelt er seinen Gegner als Untersetzten und Unwissenden, und nicht als Gleichberechtigten, wie es die christliche Tugend der Bescheidenheit fordert. Darin bestehe der Unterschied zwischen dem Dogmatiker und dem Toleranten. Religion wird nicht bewiesen „durch mitfühlende Liebe, nicht durch äußerliche Gebräuche, sondern durch innerlichen Herzensdienst“. (16)
Dass Castellio in seiner Charakterisierung des Dogmatikers recht hat, zeigt gerade die wütende Reaktion Calvins, der hinter dem Pseudonym und trotz der Fälschung des Verlagsortes den Verfasser Castellio erahnt und sofort die entsprechenden Maßnahmen ergreift, damit das Buch nicht in die Öffentlichkeit gelangt.
Ebenso wie die Einführung zu der Schrift De haereticis, die, sich auf einen konkreten Fall berufend, zu einem universalen Manifest der Toleranz erhoben wird, kann man auch Castellios Beobachtungen über Calvins Persönlichkeit - die sich Zweig zu eigen macht und denen gegenüberstellt, die er selber an Castellios Wesen beobachtet - jeweils als zwei allgemeingültige Radiographien betrachten: die des totalitären und des humanistischen Charakters. Es gehört also zum Typ des Fanatikers, dass er, wie Calvin, um jeden Preis repressive Maßnahmen gegen jede Meinung ergreift, die von der seinen abweicht, dass er seinen Hass gegen diejenigen richtet, die sich anmaßen, sie zu äußern und dass er sich ihre Zerstörung vornimmt, damit einzig und allein seine Macht herrscht. So verdammt und verleumdet Calvin von der Kanzel aus Castellios Traktat, ohne persönlich seinen Inhalt zu kennen und, einer hinterlistigen Strategie folgend, beauftragt er seinen untergebenen Nachsprecher, Theodor de Beze, als Antwort darauf eine Streitschrift gegen jene neue Ketzerei zu verfassen, die er nach Castellios Pseudonym ‚Bellianismus’ nennt. De Beze geht in seinem Buch gegen Castellio noch leidenschaftlicher und aggressiver vor als sein Mentor: er behauptet, dass Gewissensfreiheit ein Teufelsdogma sei, dass Autorität vor Humanität herrschen müsse, und dass es unzulässig sei, eine persönliche Hermeneutik zu verteidigen, die die calvinische, die einzig wahre Exegese, in Zweifel ziehen würde. Doch de Beze will die calvinische Herrschaft sichern, indem er seinen Gegner auf besonders grausame Weise vernichtet, als warnendes Beispiel durch den Terror: er fordert den Autor jenes Traktats heraus, aus seinem Versteck heraus zu kommen und verlangt, dass dieser Fürsprecher der Toleranz als Ketzer behandelt wird: mit Folter und Tod auf dem Scheiterhaufen. Castellio nimmt die Herausforderung an und schreibt als Entgegnung – jetzt aber unter seinem Namen - seine Kampfschrift Contra libellum Calvini. Diese öffentliche Anklage macht, zusammen mit jener ersten Abhandlung, die erste Grundlage dessen aus, was wir heute die Charta der Menschenrechte nennen.
In diesem neuen Prozess gegen Calvin betont Castellio ausdrücklich, dass er nicht das Ziel verfolgt, eine Exegese gegen die andere zu verteidigen, sondern zu beweisen, dass Calvin einen Mord an Servet begangen habe. Zweig geht gründlich der Argumentation Castellios nach, die man in drei Fragen zusammenfassen kann: Welches Verbrechen hat Servet verübt? Welche Instanz ist dazu legitimiert, ihn zu richten? Auf welches Gesetz hat sich diese Instanz gestützt, um in religiösen Angelegenheiten zu richten und ein Todesurteil zu fällen, zumal der Verurteilte Ausländer ist?
Was die erste Frage angeht bedient sich Castellio Calvins eigener Worte, welcher behauptet, dass Servet „in kühner Weise das Evangelium entstellt habe und von einem unerklärlichen Verlangen nach Neuerungen getrieben gewesen sei“ (17) . Der Einwand, den Castellio gegen diese Behauptung macht, kann nicht überzeugender sein: Was sonst haben vor ihm die Väter des Protestantismus, Luther und selbst Calvin, getan? Worauf oder auf wen beruft sich Calvin, um andere zu richten, die wie er gehandelt haben? Was legitimiert Calvin zu behaupten, dass er allein die Bibel richtig deutet? Diese Fragen legen den Widerspruch des Genfer Theologen bloß und demaskieren ihn als Verräter des ursprünglichen protestantischen Geistes, der gerade die individuelle Deutungsfreiheit der Bibel beanspruchte, was zur Trennung von der katholischen Kirche führte. Calvin ist also am wenigsten dazu geeignet, ein Verhalten zu verurteilen, das einst sein eigenes gewesen war und das er als ein Recht für jederman gefordert hatte. Und als wäre dieses Argument nicht einleuchtend genug, zitiert Castellio noch die Worte aus dem Buch Calvins Institutio Religionis Christianae (1536), das kanonische Buch der protestantischen Lehre, wo er behauptet, dass es „verbrecherisch [ist], die Ketzer zu töten. Sie durch Eisen und Feuer zugrunde gehen zu lassen, hieße jedes Prinzip der Humanität verleugnen. (18)“ Dass Calvin sich seiner Inkohärenz bewusst war, geht aus der Tatsache hervor, dass er, nachdem er seine Macht durchgesetzt hatte, gerade diese Stelle in der zweiten Ausgabe seines Textes änderte.
Zur zweiten und dritten Frage bringt Castellio das Argument vor, dass keine Macht über Wahrheit oder Irrtum einer Meinung entscheiden darf, zumal es sich um religiöse Angelegenheiten handelt. Nur Gott sei dazu befugt. Calvin, der in Genf die staatliche und die religiöse Macht kontrollierte, ohne die erste offiziell auszuüben, habe sich die Freiheit genommen, sowohl in weltlichen als auch in geistigen Angelegenheiten zu richten und zu verurteilen und habe sich somit das Recht angemaßt, das nur Gott besitze. Calvin war es, der dem Genfer Magistrat den Prozess an Servet mit der Empfehlung überwies, ihn zum Scheiterhaufentod zu verurteilen. Als guter Kenner der Geschichte erinnert Castellio daran, dass die Apologie des Einheitsdenkens immer die Ursache des Blutvergießens war. Er lehnt entschieden Calvins Versuch ab, der, um sich zu rechtfertigen, sich auf das mosaische Gesetz stützt, das dazu aufforderte, Andersdenkende mit Feuer und Schwert auszurotten; das, so Castellio, bedeute nicht vernichten sondern exkommunizieren, und das sei eine priesterliche Angelegenheit. Niemals forderte Christus dazu auf zu töten. Die Wahrheit kann man verbreiten, nie aber auferlegen. Daraus schlussfolgert er: „Einen Menschen töten heißt niemals eine Lehre verteidigen, sondern: einen Menschen töten. [...] man bekennt sich nicht zu seinem Glauben indem man einen andern Menschen verbrennt, sondern nur, indem man sich selbst für diesen Glauben verbrennen lässt.“ (19) Folgerichtig fällt er jetzt sein Urteil: Schuldig sind sowohl Calvin als auch der Magistrat, weil sie ihre Macht überschritten haben. Da der Mensch das Recht auf Gedankenfreiheit hat und sein eigenes Gewissen die letzte moralische Instanz ist, klagt er beide als Mörder an; den ersten, weil er ein Urteil in einer Angelegenheit gefällt hat, zu der er nicht befugt war. Der zweite habe eine doppelte Schuld auf sich beladen, weil er den Prozess sowohl in Gang gesetzt als auch vollstreckt hat:
Entweder hast du Servet hinrichten lassen, weil er das dachte, was er sagte, oder weil er seiner innern Überzeugung gemäß sagte, was er dachte. Wenn du ihn getötet hast, weil er seiner innern Überzeugung Ausdruck gab, dann hast du ihn um der Wahrheit willen getötet, denn die Wahrheit besteht darin, daß man, selbst wenn man im Irrtum ist, das ausspricht, was man denkt. (20)
3. Stefan Zweig: Utopie gegen Ambiguität
Man muss an dem Wiener Schriftsteller rühmen, dass er für die Nachwelt das Werk und die Figur Castellios vor der ungerechten Vergessenheit gerettet hat. Er war der erste, der die Gewissensfreiheit verteidigte, noch vor Locke, Hume und Voltaire und, wie Zweig bemerkt, sein Leben in einer viel schwierigeren Zeit riskierend (21). Castellio gegen Calvin hat den Beitrag geleistet, einem breiten Leserkreis diesen wertvollen Humanisten bekannt zu machen – Zweig war der meistgelesene Autor deutscher Sprache seiner Zeit -, aber das Buch ist noch heute ein wesentliches Referenzwerk für Castellioforscher. Zweig stimmte mit dem Humanisten vollkommen überein, er empfand großen Respekt sowohl für seine Ideen als auch für den Menschen, für seine entschiedene Stellungnahme und für die Kongruenz und Tapferkeit mit denen er bis zu seinem Lebensende kämpfte, als der Tod ihn unerwartet überraschte und so vor dem Brandpfahl rettete. Zweig, der, wie Erasmus, ein Fürsprecher der Konzilianz und der Neutralität war, verabscheute die Politik. Wahrscheinlich wollte er deswegen mit diesem Buch Zeugnis für ein modellhaftes Verhalten ablegen, das jedem Menschen als Beispiel dienen sollte. Wenn er in seinem zwei Jahre davor geschriebenen Essay über Erasmus behauptet hatte, dass er „etwas inneres Schicksal in einen Spiegel warf” (22) , beschrieb er in der Person Castellios nicht den Menschen, der er war, sondern den, „der ich sein möchte.” (23)
Doch gerade dass der Wiener Autor Castellio eine solche Achtung beimaß, macht es uns schwer, in seiner ideologischen und biographischen Laufbahn eine kohärente Linie zu erkennen. Nicht nur weil er dem Beispiel seines Idols nicht nachging – wer könnte es wagen, einen Menschen zu verurteilen, weil er in Terrorzeiten nicht aktiven Widerstand leistete? -, sondern wegen seiner Ideen über die Schuld, die Gerechtigkeit, die Politik, den Pazifismus und die Macht des Geistes. Als Zusammenfassung dieser Laufbahn seien von seinem umfangreichen Werk nur zwei seiner Texte erwähnt: die Legende Die Augen des ewigen Bruders (1922) und die Schachnovelle (1941). Im ersten lässt Zweig die Handlung in Indien spielen. Die Hauptperson, Virata, ein gütiger und ehrlicher Diener seines Königs, verfolgt als Lebensziel, ein gerechter Mensch zu sein und immer nach seinem Gewissen zu handeln, doch im Krieg tötet er unwissend seinen Bruder. Als er ihn unter den Toten erkennt, beschließt er, für immer auf Waffen zu verzichten, weil alle Menschen Brüder sind. In seinem zweiten Beruf als Richter kommt er zu dem Schluss, dass es unmöglich ist, Gerechtigkeit walten zu lassen, da derjenige, der das Urteil fällt, weder die Gründe des Angeklagten wirklich kennen kann, noch die von ihm auferlegte Strafe am eigenen Leib erfahren hat. Seine Entscheidung, von der Welt entfernt ein isoliertes Leben zu führen, erweist sich auch als ungeeignet, da andere dem Beispiel dieses frommen Mannes gefolgt sind und ihre Familien ungeschützt verlassen haben. Die beste Lösung sei also, nicht zu handeln, keine Entscheidung zu treffen, jemandem anderen zu dienen.
Die Lösung ist, wie man sieht, so unrealistisch wie ungerecht, vor allem weil der Herr, zu dessen Diensten sich Virata stellt, doch handeln und Entscheidungen treffen muss.
Einige Jahre später, als Klaus Mann im Exil Stefan Zweig um seine Mitarbeit für die von ihm herausgegebenen Emigrantezeitschrift Die Sammlung bittet, lehnt er mit dem Vorwand ab, den Faschismus müsse man mit der Literatur bekämpfen und nicht mit der Polemik über politische Aktualität (24). Diese Antwort wurde am 14. Oktober 1933 in dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel veröffentlicht und Zweig aus diesem Grund der Kollaboration mit den Nazis bezichtigt. Es ist schwer, sich eine solche Antwort von einem Mann vorzustellen, der drei Jahre später schrieb:
Weil Gewalttätigkeit sich in jedem Zeitalter in andern Formen erneu[er]t, muß auch der Kampf gegen sie immer wieder von den Geistigen erneuert werden; nie dürfen sie flüchten hinter den Vorwand, zu stark sei zur Stunde die Gewalt und sinnlos darum, sich ihr im Wort entgegenzustellen. Denn nie ist [...] die Wahrheit vergeblich. Auch wenn es nicht siegt, so erweist doch das Wort ihre ewige Gegenwart, [...]. (26)
Die Schachnovelle, sein letztes Fiktionswerk, kann man als Allegorie einer Enttäuschung verstehen. Die ideale Welt, von der Zweig geträumt und für deren Verwirklichung er gearbeitet hatte, war zugrunde gegangen: in der Schachpartie, die ein Emigrant und der Schachweltmeister spielen, gewinnt der Emigrant das erste Spiel, aber er verliert das zweite. Er gibt die Revanche auf, weil die Position der Figuren auf dem Schachbrett nicht den Positionen in seinem Kopf entsprechen. Das Thema der Novelle suggeriert die Konfrontation zwischen dem Geist und der absoluten Macht, und die Kapitulation des ersten vor dem zweiten: die Erkenntnis, dass der Geist vor der Macht kapitulieren muss, da er die Regel der neuen Welt nicht mehr versteht. Diese Deutung stimmt mit dem Titel und dem Inhalt von Zweigs Autobiographie, Die Welt von Gestern (1942), überein. Die Welt von Stefan Zweig gehörte der Vergangenheit an, und er war unfähig, in der Gegenwart seiner Zeit zu leben. In seinem brasilianischen Exil beging er 1942 Suizid. Doch sein wertvoller Nachlass blieb: die notwendige Utopie, die das menschliche Handeln leiten und den Weg des friedlichen Zusammenlebens aller Glaubensrichtungen zeigen soll.
Nach Castellios Tod haben andere sein Vermächtnis weitergeführt und den Bedürfnissen ihrer Zeit angepasst. Unsere Welt ist heute zu einem Ort geworden, wo die Menschen verschiedener Kulturen zusammenleben müssen. Der Dialog ist heute also so nötig wie noch nie. Doch, wie Castellio behauptete, kann ein Dialog nur zwischen Gleichberechtigten geführt werden, und in dieser Gleichberechtigung besteht gegenwärtig die größte Herausforderung. Der Theologe Xec Marquès fasst es treffend so zusammen:
Der Dialog, [...], ist möglich, wenn ich aus meinem Zuhause gehe und mich dem Zuhause des Anderen nähere. Er ist möglich, wenn jeder ein Zuhause hat. [...]. Doch wenn das nicht der Fall ist, weil man arm ist, weil dort, wo mein Zuhause sein sollte, der Mächtigere sein Zuhause aufgestellt hat, ist der Dialog unmöglich. (27)
ANMERKUNGEN
1. Hartmut Müller, Stefan Zweig mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (Rowohlts Monographien), Reinbek bei Hamburg 1996, S. 74 und 85-86.
Hierzu siehe auch Arnold Bauer, Stefan Zweig (Köpfe des 20. Jahrhunderts, Bd. XXI), Berlin 1996, S. 45, der in Zweig eher einen Pessimisten als einen gläubigen Utopisten sieht.
2. Stefan Zweig, Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt, Frankfurt am Main 1994, wo von ‚Sturmgarde’, ‚Jungvolk’, ‚Ideologie’, ‚totalitär’, Gleichschaltung’‚ Diktatur’, oder ‚Geheimdiplomatie’ die Rede ist.
3. Besonders in seinen Biographien bediente Zweig sich des Psychogramms: er sah einen direkten Bezug zwischen der Physiognomie eines Menschen und seinem Charakter:
„Calvins Gesicht ist wie ein Karst, wie eine jener einsamen, abseitigen Felslandschaften, deren stummer Verschlossenheit nur Gott, aber nichts Menschliches gegenwärtig ist. Alles, was das Leben sonst fruchtbar, füllig, freudig, blühend, warm und sinnlich macht, fehlt diesem gütelosen, diesem trostlosen, diesem alterslosen Asketenantlitz. Alles ist hart und häßlich, eckig und unharmonisch in diesem düster-länglichen Oval: die enge und strenge Stirn, unter der zwei tiefe und übernächtigte Augen wie glimmende Kohlen flackern, die scharfe hakige Nase, herrschsüchtig vorgestoßen zwischen eingefallenen Wangen, der schmale, wie mit einem Messer geschnittene Mund, den selten jemand lächeln gesehen. Kein warmes Inkarnat leuchtet auf der eingesunkenen, trockenen, aschfarbenen, ausgedörrten Haut; es ist, als ob ein inneres Fieber vampirisch das Blut aus den Wangen gesogen hätte, so grau falten sie sich, so krank und fahl, außer in den kurzen Sekunden, da sie der Zorn mit hektischen Flecken überflammt. [...].” Ibid., S. 47.
Nicht nur in diesem Buch bezog sich Zweig auf die politische Situation seiner Zeit. Mit seiner Biographie Joseph Fouché. Bildnis eines politischen Menschen, (1929) warnte er vor der unmittelbaren Gefahr, die Europa wegen der als Konsequenz des Ersten Weltkrieges unstabilen Politik drohte und die sich in der Entstehung neuer reaktionärer nationalistischer Gruppierungen in Italien, Deutschland und Österreich manifestierte – Gruppierungen, die immer mächtiger wurden. Auch hier versuchte der Autor, einen prototypischen Charakter des Politikers darzustellen, den er für das Synonym eines Dogmatikers hielt. (Siehe Stefan Zweig, Joseph Fouché. Bildnis eines politischen Menschen, Frankfurt/Main, 1986, S.13).
4. Wenngleich Stefan Zweig bei seiner Arbeit die historischen Quellen gründlich erforschte (Siehe Bauer, Stefan Zweig, op. cit., S. 49), betont sein Biograph Hartmut Müller, dass der Autor manche positiven Charakterzüge Calvins außer Acht ließ und nur diejenigen Aspekte seiner Persönlichkeit wählte, die ihn in Bezug auf sein Ziel interessierten: den Nationalsozialismus als Unterdrücker der Geistesfreiheit anzuklagen: „ [...] Calvin war nicht nur ein Zuchtmeister mit der eisernen Rute, ein finsterer Zelot, ein Fanatiker mit blutverschmierten Händen. Er war der anerkannte Reformator Westeuropas, der die Einheit aller Reformierten begründete. Als Ökumeniker suchte er die Einheit mit den Lutheranern und selbst mit Rom. Als universaler Geist trug er bei zur Entwicklung der modernen Welt und zur Entstehung der modernen Demokratie. Zweig ordnete seine Darstellung einem ganz bestimmten Ziel unter, der Verbreitung seiner literarisch verkleideten Anklage gegen die Versklavung des freien Geistes im nationalsozialistischen Deutschland.” (Müller, Stefan Zweig, op. cit., S. 101).
5. Müller, op. cit. S. 74.
6. In einem Brief vom 24. Januar 1917 an den Fürsprecher des Sionismus Martin Buber schrieb Zweig: „Nie habe ich mich durch das Judentum in mir so frei gefühlt als jetzt in der Zeit des nationalen Irrwahns - und von Ihnen und den Ihren - trennt mich nur dies, daß ich nie wollte, daß das Judentum wieder Nation wird und damit sich in die Concurrenz der Realitäten erniedrigt. Daß ich die Diaspora liebe und bejahe als den Sinn seines Idealismus, als seine weltbürgerliche allmenschliche Berufung. Und ich wollte keine andere Vereinung als im Geist...”, Brief an Martin Buber, VIII. Kochgasse 8 Wien, 24 Januar 1917, in: Richard Friedenthal (Hg.), Stefan Zweig: Briefe an Freunde, Frankfurt am Main 1984, S. 68, zitiert nach Müller, Stefan Zweig, op. cit., S. 63.
7. Darauf bezogen erwähnt Müller einen Artikel, der Zweig im Frühling 1911 schrieb, als er von einer Reise in die Vereinigten Staaten zurückkehrte, und der in der Neue Freie Presse herausgegeben wurde. (Ibid, S. 49).
Zu Zweigs Optimismus siehe auch das 8. Kapitel seiner Autobiographie Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers (1941), „Glanz und Schatten über Europa”.
In seiner Monographie über Emile Verhaeren, einer Studie seines bewunderten Dichters und Freunds, schreibt Zweig: „Die Götter werden zu Menschen werden, das äußere Schicksal wird zurückkehren in ihre Brust, die Heiligen werden nur mehr ihre Brüder sein, und das Paradies die Erde selbst.”, zitiert nach Müller, Ibid., S. 51.
In seinem Theaterstück Tersites (1907) stellt Zweig den Nationalismus als eine Krankheit dar, die man bekämpfen muss. Sie ist dort verantwortlich für die Konfrontation zwischen den Völkern, für den Krieg und für den Tod vieler Menschen.
8. Stefan Zweig, „Tersites, Jeremias. Zwei Dramen”, in: Knut Beck (Hg.) Gesammelte Werke in Einzelbänden, Frankfurt am Main 1992, S. 327.
9. „Denn hier geht es nicht um ein enges Theologicum, nicht um den einen Menschen Servet und nicht einmal um die entscheidende Krise zwischen dem liberalen und orthodoxen Protestantismus: in dieser entschlossenen Auseinandersetzung ist eine viel weitläufigere, eine überzeitliche Frage aufgeworfen, [...], ein Kampf ist eröffnet, der unter anderen Namen und anderen Formen immer neu wird ausgekämpft werden müssen. [...]. Gleichgültig, wie man die Pole dieser ständigen Spannung benennen will - ob Toleranz gegen Intoleranz, Freiheit gegen Bevormundung, Humanität gegen Fanatismus, Individualität gegen Mechanisierung, das Gewissen gegen die Gewalt -, alle diese Namen drücken im Grunde eine letzte allerinnerlichste und persönlichste Entscheidung aus, was wichtiger sei für jeden einzelnen - das Humane oder das Politische, das Ethos oder der Logos, die Persönlichkeit oder die Gemeinsamkeit.” (Zweig, Castellio gegen Calvin, op.cit. S. 12-13).
10. Ibid., S. 13.
11. Sebastian Castellio, zitiert nach Zweig, Ibid., S. 135.
12. Zweig, Castellio gegen Calvin., op. cit., S. 152.
13. In diesem Zusammenhang und in einem anderen Kontext betont Zweig die Bescheidenheit Castellios, der, im Vorwort seiner Bibelübersetzung, die Leser auf die Schwierigkeit der Deutung der Heiligen Schrift hinwies und darauf, dass er sich bei manchen Stellen auch im Zweifel war. (Siehe Zweig, Ibid., S. 80).
14. Zweig, Ibid., S. 151.
15. Zweig, Ibid., S. 156.
16. Zweig, Ibid., S. 157.
17. Zweig, Ibid., S. 170.
18. Zweig, Ibid., S. 174.
19. Zweig, Ibid., S. 177.
20. Zweig, Ibid., S. 179.
21. Zweig, Ibid, S.18.
22. Brief an Rudolf Kayser, London, 30. November 1933, in Erich Fitzbauer (Hg.), Stefan Zweig, Spiegelungen einer schöpferischen Persönlichkeit, Wien 1959, S. 75, zitiert nach Müller, Stefan Zweig, op. cit., S.102.
23. Brief an Joseph Roth (undatiert, vermutlich Herbst 1937), in Friedenthal (Hg.), op. cit., S. 286, zitiert nach Müller, op. cit., S. 102.
24. In einem Privatbrief an seinen Freund und Verleger Kippenberg, zitiert nach Müller, op.cit., S. 98.
25. Müller, Ibid., S. 99.
26. Zweig, Castellio gegen Calvin, op. cit., S. 160.
27. Privatkorrespondenz (Brief vom 4.3.2008) mit dem Theologen Xec Marquès, Dozent der Theologie in Schwarzafrika.
(Anna Rossell, "Stefan Zweig, Castellio gegen Calvin oder: Ein Gewissen gegen die Gewalt", in Bernd F. W. Springer, Alexander Fidora (Hrsg.), Religiöse Toleranz im Spiegel der Literatur. Eine Idee und ihre ästhetische Gestaltung, Lit Verlag, (Literatur Forschung und Wissenschaft, Bd. 18), Wien, 2009, S. 257-268)
Los Niños del Agua, Charles Kingsley
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